Richtschwert, Eisen, Messing, Osnabrücker Waffenschmiede, Norddeutschland, 1582
Für die Durchsetzung der Landesherrschaft war die Oberhoheit über alle Bereiche der Jurisdiktion von großer Bedeutung. Sie diente der Friedenswahrung, der Rechtssicherheit, war ein wichtiges Mittel für die Disziplinierung der Untersassen. Zudem machten die Einnahmen aus den Strafgeldern einen nicht unbeträchtlichen Posten im Haushalt aus.
Bereits dem Vater Fräulein Marias, Edo Wiemken, war es gelungen, zahlreiche Rechtstitel an sich zu binden, lokale Größen auszuschalten und vor allen Dingen wichtige Bereiche der kirchlichen Rechtsprechung der Archidiakone in die Zuständigkeit der Landesherrschaft zu bringen. Die zentrale Instanz für fast alle Zivil- und Strafsachen war das Landgericht. Noch Anfang des 16. Jahrhunderts wurde nach dem friesischen Landrecht im Jeverland Recht gesprochen. Erst um 1530 kodifizierten Fräulein Maria und ihre Schwester Anna auf der Grundlage des ostfriesischen ein jeversches Landrecht, welches alte gemeinfriesische mit neueren Rechtssatzungen aus dem römischen Recht verband und, wie andere Bereiche der Gesetzgebung auch, zunehmend durch das römische ersetzte.
Der Landrichter, der im Laufe des 16. Jahrhunderts immer mehr für die Drosten als Vertretung der Landesherrschaft die Leitung im Gericht innehatte, war juristisch geschult.
Der Ablauf des Verfahrens wurde noch zur Zeit Fräulein Marias in einer Gerichtsordnung festgehalten. Dem Richtergremium gehörten der Landrichter, der Drost, der Rentmeister und der Hausvogt an. Als Beisitzer fungierten die Vögte in den einzelnen Kirchspielen.
Der Landrichter reiste bei den anstehenden Gerichtstagen zu den Kirchspielen und verhandelte dort Fälle, die man heute einem Zivilgericht übertragen würde. Neben nachbarschaftlichen Streitigkeiten und Beschuldigungen wegen Betruges wurden auch Körperverletzungen verhandelt. Der Richter trat offenkundig erst dann in Erscheinung, wenn der Fall zwischen den beiden Parteien selbst nicht geschlichtet werden konnte. Es wurden Zeugen befragt, die ihre Stellungnahmen auch schriftlich formulierten.
Die Prozesse, die wegen eines Giftmordes und Zaubereivorwürfen geführt wurden, gehören ebenso wie die Verfahren wegen Landesverrat und Diebstahl an der Landesherrin zu den spektakulären Ereignissen. Für diese Prozesse wurde eine große Öffentlichkeit hergestellt, so dass das Verfahren selbst und die anschließende Hinrichtung der Abschreckung dienen sollten.
Menschen am Hofe des Fräulein
Am Hofe Fräulein Marias lebte neben ihren Ratgebern und Bediensteten ein wechselnder Personenkreis, der durch verschiedene Aufgabenfelder und soziale Stellungen gekennzeichnet war. Der Hof wies eine hierarchische Gliederung auf, was u.a. an den verschiedenen Speisen und Getränken für Fräulein Maria und ihre Ratgeber sowie die Bediensteten und Landsknechte deutlich wird.
Einige von ihnen wohnten im Schloss. Andere besaßen in der Stadt oder im näheren Umland Haus und Unterkunft. Die Zugehörigkeit zum jeverschen Hof wurde durch einheitliche Kleidung deutlich gemacht, wie sie an vielen fürstlichen Höfen üblich war. Zur Zeit von Fräulein Marias Vater Edo Wiemken wurde ein grüner Stoff mit aufgenähten brauen und weißen Streifen getragen.
Neben den Räten und Bediensteten gehörten noch eine Reihe von Junkern und Jungfern zu dem engen Kreis um Fräulein Maria. Verschiedene Adelige gaben ihre Kinder oder auch ältere Verwandte zur Ausbildung bzw. Gesellschaft an den Hof. Auch der kleine Neffe Boings von Oldersum wurde zur adeligen Erziehung an den Hof des Fräulein gegeben und vom Drosten selbst in ritterlichen Spielen unterwiesen.
Abwechslung von der Regierungstätigkeit boten gemeinsame Ausflüge, Feste und Jagden.
Legitimation durch Überlieferung
Für die jeversche Landesherrschaft war es von großer Bedeutung, in Abgrenzung zur Grafschaft Ostfriesland ihre Eigenständigkeit zu betonen. Um die Souveränität der Herrschaft zu legitimieren, kam der Geschichtsschreibung eine wichtige Aufgabe zu. Aus der Geschichte konnte Identität geschöpft werden, die Herkunft des Herrscherhauses erklärt und verbindliche Traditionen geschaffen werden.
Die Historiographie bot gerade im Rechtsstreit um die Selbständigkeit des Jeverlandes und die Zugehörigkeit der Herrlichkeit Kniphausen, welche Fräulein Maria u.a. vor dem Reichs-kammergericht in Speyer führen musste, wichtige Argumentationshilfen. Nicht von ungefähr entstanden daher am Jeverschen Hofe eine Fülle von Chroniken, Annalen und Genealogien, welche die Herkunft des Fräulein Marias klären sollten und ihrer Familie den Geschlechternamen der Papinga gaben.
Zu den wichtigen Geschichtsschreibern am Hofe des Fräulein gehörte ihr Rentmeister und enger Berater Remmer von Seediek. Sein Hauptwerk, die Annalen, eine chronologische Ausarbeitung der wichtigsten Ereignisse der Jeverschen Geschichte, hat den ersten Teil der Jeverschen Chronik, die Ende des 16. Jahrhunderts entstanden ist, maßgeblich beeinflusst. Die Genealogien, die Remmer zur Herkunft der Wiemkens oder der tom Brook ausarbeitete und mit Stammbäumen versah, sollen die gleichberechtigte adelige Qualität der Familie Fräulein Marias belegen.
Eine kurze Biographie Fräulein Marias, wohl aus Anlass ihrer schweren Erkrankung 1572 entstanden, verfolgt ähnliche Ziele und bietet ein Herrscherlob, wie es denen anderer Fürsten des Reiches nicht nachstand.